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Die Geschichte der Firma Reinhard Schulte
war in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine Geschichte von
negativen Einflüssen, die sich erst in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts änderten und nun zu. einem stetigen Aufbau und
Wachstum führten.
Dies hat die Firma Carl Hermann, dem Sohn
des Gründers, zu verdanken, der die Firma Reinhard Schulte immer
wieder durch die kritischen Phasen hindurch führte, um
schließlich nach fünfzig Jahren, in eine positive und neue Zeit
zu gelangen.
Reinhard Schulte wurde am 9. August 1852
als siebtes und jüngstes Kind des Bauern und Posthalters Carl
Wilhelm Schulte in Schwelm bei Barmen geboren. Der Vater betrieb
damals außer seinem Bauernhof noch eine Posthalterei. Das war
die Stelle, an der die Post und Kutschpferde gewechselt wurden.
Der älteste Sohn bekam den Hof und die anderen Kinder mußten
einen eigenen Beruf erlernen. Reinhard kam mit 16 Jahren in eine
Weberei nach Gruiten als Lehrling. Dort lernte er in der Weberei
und später auch im Büro. 1885 heiratete er Anna Helmich aus
Mülheim. Nach einigen Jahren konnte er mit einem Kollegen
zusammen eine eigene Weberei in Uerdingen übernehmen.
Carl Hermann wurde am 27. 9. 1886 in Barmen
geboren, bald darauf zogen die Eltern nach Uerdingen. 1889
trennte sich Reinhard Schulte wieder von seinem Teilhaber und er
beschloß, eine eigene Weberei zu gründen. 1896 starb sein Vater
und einige Jahre später sein ältester Bruder, der den Hof geerbt
hatte. Am 21. 5. 1901 erfolgte der Grundstückskauf in Duisburg.
Die Genehmigung für die Weberei Reinhard Schulte folgte am
3.8.1901. Der Aufbau der Firma und die Installation der
Maschinen dauerte fast 15 Monate. Anfang 1903 wurden die ersten
verkaufsfertigen Stoffe hergestellt . Einer der ersten Kunden
wurde die Spielwarenfirma Margarethe Steiff, die für ihre
Teddybären, die sie bisher aus Filz gemacht hatte, einen
pelzähnlichen Stoff suchte. Es gibt noch den handgeschriebenen
Brief der Margarethe Steiff von 1904, in dem sie um den Stoff
anfragt. Zu Anfang des Weltkrieges 1914 - 1918 wurden auch
Stoffe für Brotbeutel für das Militär gewebt. Am 26.8.1916 stirb
Reinhard Schulte, nachdem er nur 16 Jahre Zeit gehabt hatte,
seine Firma aufzubauen und zu erleben. Sein Sohn Carl Hermann,
wurde sein Nachfolger.
Er musste den Betrieb aber bald darauf
wieder schließen, weil er als Leutnant eingezogen wurde, wie .
auch viele seiner Mitarbeiter. Nach Kriegsende konnte Carl
Hermann, als Oberleutnant heimgekehrt, nun endlich den ererbten
väterlichen Betrieb übernehmen. Herr Heinrich Göntgens, der
schon bei Reinhard Schulte seit 1901 als Buchhalter gearbeitet
hatte, stand nun Carl Hermann als erfahrener Mitarbeiter in
kaufmännischen Fragen zur Seite. Nach dem Tod des Vaters wurden
die Erbteile an seine Mutter und die beiden Schwestern gezahlt,
was sich über mehrere Jahre erstreckte und die finanzielle Lage
der Firma belastete. 1923 begann die Inflation.
Das Geld war nichts mehr wert und die Löhne
wurden in Billionen gezahlt. Kaum hatte sich Reinhard Schulte
wieder gefangen, da begann 1928 die große Weltwirtschaftskrise,
die in Amerika ausgelöst wurde und der sich niemand entziehen
konnte. Anfang der 30er Jahre wurde mit der Weberei und der
Spulerei begonnen. Das bedeutete, dass man die Kettbäume und
Spulen, die gebraucht wurden, nun selber herstellen konnte und
nicht mehr bei anderen Firmen kaufen musste.
Dadurch war die Firma flexibler in der
Herstellung geworden Nach 1933 ergab sich bald wieder ein neues
Problem. Die Devisen wurden bewirtschaftet. Für die Wollgarne
Kamelhaar und Mohair, schon immer über England bezogen, mussten
jetzt umständlich Devisen beantragt werden. Leider bekam man
meistens nur einen Teil der Menge zugestanden, die eigentlich
benötigt wurde, und die Kundschaft musste bis zum nächsten
Quartal vertröstet werden. Trotzdem ging es weiter aufwärts und
der Betrieb florierte. Neue Garne, die aus künstlichen Fasern
hergestellt wurden wie Zellwolle, Viskose oder Dralon kamen auf
den Markt. Man hatte sich einfach umzustellen und anzupassen.
Als am 1.September 1939 der zweite Weltkrieg
begann, konnte die Firma die letzten Garnsendungen aus England
nicht mehr begleichen, weil kein Geldtransfer mehr möglich war.
Sie ist erst nach dem Krieg bezahlt worden.
Nun bekam die Weberei den Auftrag vom
Wirtschaftsministerium, aus Dralon und Zellwolle warmes
Mantelfutter .für Winteruniformen herzustellen. Da die meisten
Männer aus dem Werk eingezogen waren, wurden viele Frauen
eingestellt, an Ausrüstungsmaschinen ausgebildet. So konnte
Reinhard Schulte den Krieg zunächst ganz gut überstehen. Im
April 1944 kam Tochter Helga nach ihrer kaufmännischen
Ausbildung und nachdem sie schon in verschiedenen anderen
Betrieben gearbeitet hatte, in den Betrieb. Bei einem der
schweren Bombenangriffe gingen die Glasdächer der Weberei zu
Bruch. Zum Glück war für diesen Fall vorgesorgt worden und
genügend Drahtglas im Keller gelagert.
Die Reparatur war in kürzester Zeit
erledigt, man konnte weiterarbeiten. Nach einigen Wochen kamen
drei weitere schwere Luftangriffe, bei dem die obere Etage der
Druckerei durch Brandbomben ausbrannte und die Glasdächer der
Weberei und Färberei wieder zu Bruch gingen. Nun war die Firma
zu 65% zerstört und der Betrieb musste geschlossen werden. Nach
dem Krieg, als der Wiederaufbau begann, hatte man große
Schwierigkeiten, Material für die Reparatur der Maschinen zu
bekommen, da die Firmen die dies liefern konnten, auch alle
zerbombt waren.
Die verrosteten Maschinen, vor allem die
Riete in den Webstühlen, wurden von den eigenen Arbeitern in
großen Entrostungswannen entrostet und ein Webstuhl nach dem
anderen konnte wieder in Betrieb genommen werden. Nun begann
Helgas große Zeit. Wenn Kundschaft kam, musste verhandelt und
getauscht werden, um Ersatzteile, Baumaterialien, Kohle und
vieles andere zu bekommen; Plüsch gegen Material. 1947 hatte die
jüngste Tochter Ingeborg Schulte geheiratet. Ihr Mann, Ernst
Stocks aus Kiel, besuchte nun erst die Weberschule in Krefeld,
um dann die technische Leitung der Firma zu übernehmen. Als im
Juli 1948 die Währungsreform kam, konnten endlich die
Garnschulden nach England bezahlt werden und wieder Garne von
dort bezogen werden, fast 10 Jahre nach Kriegsanfang. Im
September 1948 heiratete Helga Schulte.
Ihr Mann Reinhold Hesselmann aus Duisburg,
als Leutnant aus dem Krieg zurückgekehrt, trat auch in die Firma
ein. Er kümmerte sich um die Materialbeschaffung und vor allem
um den Verkauf. 1949 fuhr Herr Hesselmann nach Bremen zur
Baumwollbörse. Da er noch wenig von der Technik verstand,
konnten diese Garne nicht für Plüsch verarbeitet werden. Es
wurden Stoffe für die Christliche Marine gewebt und Tischdecken,
die bedruckt wurden. Wenig später fuhr Hesselmann an die
englische Wollbörse nach Bradford.
Hier kaufte er für 9,5 Shilling pro Einheit
ein. Am nächsten Tag war der Betrag auf 24 Shilling gestiegen.
Mit der teuren Kalkulation konnte der Wiederaufbau finanziert
werden. Die Damenkonfektion, die bereits kurz vor dem Krieg
begonnen hatte, wurde nun wieder aufgenommen und schlug gut ein.
Das ursprüngliche Material Kamelhaar und
Wolle wurde durch das Haar der Alpakas, einer südamerikanischen
Lamaart, ersetzt. Der Wiederaufbau war zügig voran gegangen. Die
zweite Etage, die im Krieg ausgebrannt war, wurde wieder
hergestellt und die Bedienung der alten Koksfeuerung, die nun
auf ÖI umgestellt wurde, brachte eine wesentliche Vereinfachung.
1952 heiratete Irmgard. Ihr Mann, Wolfram Stöckel war gelernter
Textilingenieur und hatte schon früher in verschiedenen
Textilfabriken gearbeitet. Herr Schulte, der inzwischen 66 Jahre
alt war, dachte langsam an einen Nachfolger. So bekam Herr
Stöckel alsbald Prokura. In diese Zeit fällt auch die Umwandlung
der Einzelfirma in eine GmbH.
Durch den enormen Bedarf nach dem Krieg und
die neuen Maschinen konnte die Produktion wesentlich gesteigert
werden. Die Weberei musste gelegentlich 2 x 12 Stunden arbeiten.
Es wurden auch Lohnaufträge an Webereien in Holland und Belgien
vergeben. In der Weberei bediente ein Weber einen Webstuhl,
heute werden 8 bis 10 Webstühle von einem Weber bedient. In den
50er Jahren lieferte Reinhard Schulte Plüsche an die
verschiedensten Industrien. Damenmantelkonfektion; Kinder- und
Babykonfektion aus Lammfellimitation; Kinderwagendecken; Schuh-
und Hausschuhindustrie; Heimtextilien wie Möbelplüsche und
doppelseitige Plüschdecken, Fußbodenauslegeware; Bunt bedruckte
Afrikaplüsche; Astrachanimitationen als Feze für die Türkei und
Mützen für Finnland. Für die Firma Steiff wurden die Löwenmähne
und die Meckihaare entwickelt. 1957 schaffte die Firma
Wildman-Maschinen an.
Das waren Rundmaschinen, auf denen nicht
gewebt, sondern gestrickt wurde. In den 60er Jahren wurde
jährlich über eine Million Meter gewebt und die Firma hatte fünf
bis sechs Lohnwebereien beschäftigt. Diese Rohware wurde später
bei Schulte ausgerüstet, denn Schulte war die einzige Fabrik,
die die notwendigen Ausrüstungsmaschinen hatte. 1962 kamen die
Anbauautomaten auf den Markt, die die Spulen mit einer Art
Trommelrevolver in die Schiffchen einlegte. 1966 80. Geburtstag
von Carl Hermann Schulte und zu gleich damit verbunden seine
50jährige Führung der Firma RSD.
Anfang der 70er Jahre wurde ein neues
Bürogebäude errichtet, da die Fabrikationsfläche zu eng geworden
waren. Zu der Zeit wurde probeweise ein Greiferwebstuhl
getestet. 1974 wurden dann die 16 Greiferwebstühle angeschafft.
J , 1982 starb Wolfram Stöckel. Da keine aktiven
Familienmitglieder mehr in der Firma waren, kümmerte sich seine
Witwe Irmgard Stöckel um die Firma. Die Rationalisierung des
Betriebes ging in den achtziger und neunzjger Jahren zügig
voran. 1986 bekam die Firma die ersten Computer. Jede
Rationalisierung bedeutete aber auch weniger Arbeitskräfte. Wenn
die Firma nach dem Krieg zeitweise noch 250 Leute beschäftigt
hatte, so hat sie heute nur noch 70 bis 75 Arbeitnehmer. Zu
Anfang des Jahrhunderts gab es noch 11 Textilwebereien in
Duisburg. Reinhard Schulte ist die einzige, die bis heute
überlebt hat. Im Herbst 1997 verkaufte Irmgard Stöckel aus
Altersgründen die großväterliche Firma. Ihr war daran gelegen,
das die Firma weitergeführt und nicht stillgelegt wurde. Da bot
sich Herr Hofer an, der langjährige Geschäftsführer, der den
Betrieb übernehmen wollte.
Dies ist die Geschichte der mechanischen
Weberei, die sich in hundert Jahren mit Färberei, Druckerei und
Ausrüstung, mit hochwertigen Qualitäten zu der Plüschweberei
Reinhard Schulte, die heute in ihrer Branche weltweit bekannt
ist, entwickelt hat. Quelle: 100 Jahr Florweberei Schulte 1901 –
2001.
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