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"Gelber Bogen" Karl-Lehr-Straße

"Gelber Bogen"

 

Gelber Bogen an der Karl-Lehr-Straße - Unglückstunnel mit Historie  Loveparade-Tragödie 

Karl-Lehr: Oberbürgermeister der Stadt (1879-1914)  und Ehrenbürger Karl Lehr (* 1842 in Meschede; † 1919 in Duisburg) war ein deutscher Politiker.

Duisburg im August 2010 - Die Ereignisse beim Unglück der Loveparade haben den Vorsitzenden der ZEITZEUGENBÖRSE DUISBURG, Harald Molder, an ein historisches Unglück am gleichen Ort erinnert, über das zwei Zeitzeugen ihm vor einigen Jahren eindrucksvoll berichtet haben.

Im Archiv der Zeitzeugenbörse befinden sich Aufzeichnungen über die Erinnerungen von Frau Ruth Thamm (+) über die Ereignisse am „Gelben Bogen“ im Oktober 1944

„Der „Gelbe Bogen“ wird rechts und links durch runde Gewölbe gestützt, die einen Durchmesser von etwa 2 Meter haben. In diese Gewölbe hatte man Eingänge und Luftschutztüren gebaut. Diese Löcher sollten der Bevölkerung Schutz gewähren. Heute kann man noch sehen, wo die Eingänge waren. Sie sind später wieder zugebaut worden. Für die Autos ist die Fahrbahn unter dem „Gelben Bogen“ die nächste Verbindung von Neudorf nach Hochfeld. Die meisten Autofahrer ahnen nicht, was hier während des Krieges für Tragödien geschehen sind. In diese Räume flüchteten wir fast jede Nacht.


Foto: Dr. Hölting 1944 Chefarzt im St. Vincenz Hospital

Im Oktober 1944 waren an einem Tag drei schwere Angriffe. Am 14. Oktober morgens um 8.45 Uhr und am 15. Oktober um 1.00 und um 3.00 Uhr. Beim Nachtangriff kam der Alarm viel zu spät. Die Bomben fielen schon, da war die Bevölkerung noch nicht in den Schutzräumen. Die eisernen Luftschutztüren am „Gelben Bogen“ zitterten. 4 – 5 Männer stemmten sich mit aller Gewalt dagegen, damit sie durch den Luftdruck von den Bomben und vor allem von den Minen, die auf den Bahndamm schlugen, nicht aufgedrückt wurden. Wir Frauen und Kinder knieten auf dem steinernen Fußboden und stammelten Gebete. Wir waren am Ende unserer Kräfte.

Endlich kam die Entwarnung. Unter dem „Gelben Bogen“ von der Neudorfer Seite her hatte es hunderte Tote gegeben. Flüchtende, weinend, verletzte Menschen überall auf den Straßen. Als ich aus unserem Loch herauskam, lief ein Mann verzweifelt hin und her und schrie: „Helft unserm Rolf, er ist getroffen worden!“ Alle Hilfsorganisationen waren im Einsatz. Ich versuchte die Wagen anzuhalten. Endlich hielt ein Lastwagen. Wir haben dann mit Müh und Not Rolf auf den Wagen gehoben. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist er dann in meinen Armen gestorben.
Wie viel Angst, Leid und Verzweifelung dahinter steckt, kann man nicht in Worten ausdrücken. Dieser furchtbare Krieg und dieses Geschehen ist mir immer noch so in Erinnerung, als wäre es gestern geschehen.“
Die ärztliche Versorgung und die Bergung der Todesopfer schilderte den Autoren im Jahr 1992 noch Dr. Josef Hölting, 1944 Chefchirurg am Vincenz Hospital in Duisburg:

„Ich war Chirurg und ehemaliger Chefarzt der städtischen Haniel Krankenstiftung in Duisburg Ruhrort. Seit 1940 war ich im Vincenz Hospital in Duisburg und habe von Anbeginn das leidige Kriegsgeschehen in der Stadt mitgemacht. Und dieses meistens in intensiver persönlicher Beteiligung. Schlimm waren alle Angriffe zuvor, aber die drei Angriffe vom 14./15. Oktober 1944 setzte allem die Krone auf. Das war die Hölle auf Erden. Und zwar gab es einen Vormittagsangriff etwa gegen 09.00 Uhr durch den unser Krankenhaus schon weitgehend zerstört wurde. Ganz zerstört wurde das Hospital durch die beiden Nachtangriffe am gleichen Tag in der Nacht zum 15.10.
Ich war praktisch der einzige Chirurg, der noch in Duisburg anwesend war, und musste von früh bis spät, und von spät bis früh die armen Menschen versorgen.

Die Patienten wurden, soweit möglich, auf Tragen und Bahren gelegt und wurden dann in den Bunker Oberstraße überführt. Aber der Sonnenwall war eine einzige Geröllfläche. Einen halben bis einen Meter hoch die Trümmer der Nachbarhäuser, so daß wir uns darüber hinweg kämpfen mussten. Ganz schlimm. Und die Patienten, die wir nicht mehr in den Bunker Oberstraße bringen konnten, weil kein Platz mehr war, wurden auf einen Lastwagen geladen, und wurden nach Hösel, wobei ich nicht mehr weiß, wie das Haus dort hieß, und zum anderen Teil in eine Schule in Wanheimerort, ich glaube es war die Eschenschule, transportiert und bekamen dort Betten.

Und wenn nun Leute, wie z.B. in Neudorf, Tote zu beklagen hatten, dann wandten die sich an uns im Bunker, mit der Bitte, kann der Doktor nicht mal eben rüberkommen, und uns den Totenschein ausstellen. Und was habe ich getan, ich habe mein Fahrrad genommen und bin losgefahren. Den Tod festgestellt und dokumentiert mit dem sog. „Totenschein“. Und da fragte eine arme Frau, was sie denn nun mit dem Toten machen sollte. Wie sie zum Friedhof käme. „Ja,“ sagte ich, „zum Friedhof da kommt niemand jetzt in dieser Situation.“ Was blieb ihr anderes übrig, den Verstorbenen im eigenen Garten zu begraben. Ich sagte: „Graben sie ein Loch und legen sie ihn da hinein.“ So waren die Verhältnisse damals. Vom Essen und Trinken ganz zu schweigen.
Ich sah in diesen Tagen nach den Angriffen die schrecklichsten Todesarten. Viele hatten Glück. Der Luftdruck der Luftminen hatte ihnen die Lungen zerrissen. Sie waren sofort tot. Andere erstickten qualvoll in den Kellern der brennenden Häuser am Kohlenmonoxyd. Schlimm die durch Sprengbomben zerfetzten Frauen, Kinder, Alte, Männer. Sie starben einen ebenso qualvollen Tod, wie viele andere Menschen durch Verbrennungen durch den Feuersturm.
Sehr schlimm die Situation vor dem Gelben Bogen in Neudorf. Dort lagen mehrere hundert Tote auf der Straße, die nicht mehr in die kleinen Tunnelbunker hineinpassten! Welch schreckliches Ende diese Menschen hatten!
Tausende Duisburger, ich schätze mindestens 5000 – 6.000 Menschen, kamen alleine an diesen beiden Tagen damals in der Feuersbrunst der Brand- und Phosphorbomben ums Leben. In der Hitze, die hierbei entstand, entstanden Temperaturen, in denen der menschliche Körper sogar zerfiel.
Die Schrumpfleichen, die nach den Feuerstürmen der Oktoberangriffe auf den Straßen in Duisburg gefunden wurden, wurden zum Teil seziert. Aus dieser professionell, medizinisch, zynischen Beschreibung der verbrannten Körper und der Schwierigkeiten, die bei ihrer Autopsie auftraten, begann man nach und nach zu begreifen, um was für grauenhafte Dinge es sich bei den Bombenangriffen handelte. Menschen wurden nicht nur getötet, sie wurden, oft bei lebendigem Leibe, auf bestialische Art und Weise gänzlich ausgelöscht. Männer, Frauen, Kinder! Ich habe als Mediziner vieles gesehen. Doch dieses war auch für mich zu viel!
Schrecklich war es auch für die Menschen, die verschüttet waren. Sie wussten, dass es oftmals keine Hilfe für sie gab. Großen Mut bewiesen die Schwestern unseres Krankenhauses. Sie harrten bis zuletzt mit den vielen Kranken und anderen bettlägerigen Personen die die Keller nicht aufsuchen konnten im Gebäude aus. Es war schlimm, wie sie dem Bombehagel ausgesetzt waren. Sie standen inmitten der Feuersbrunst, und um sie herum fielen die Bomben. Doch sie blieben bei ihren Patienten, die sich nicht in Sicherheit bringen konnten.
Die Toten lagen in den Straßen Duisburgs und begannen sehr schnell zu verwesen. Der Geruch… schlimm. Innerhalb weniger Tage waren Fliegen überall, schwarze Schwärme von Fliegen. Dann kam eine Rattenplage. Dieses grauenhafte Ungeziefer. Lief über die Trümmer der Häuser. Sie fanden reichlich Nahrung und man konnte nichts aber rein gar nichts daran tun. Die Toten mussten schnellstens geborgen werden, um Seuchen zu verhindern.“