Rat der Stadt Duisburg
Ratsitzung Montag 8. Dezember 2008 

 

Haushaltsrede 2009 – FRaktion Die Linke  -   Ratsherr Hermann Dierkes

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Redaktionsschluss für den Haushaltsentwurf 2009 war letzten Juli. Mit der seit über 10 Jahren erstmals wieder zeitgerechten Vorlage zur Beratung glaubten Sie, Herr Oberbürgermeister, die Verwaltungsspitze und die sie tragenden Parteien des Rates, die Signale auf Grün gestellt zu haben. Daraus ist nichts geworden, Sie stehen vor einem Halt zeigenden Signal.

Ich will nur am Rande erwähnen, dass NKF noch zahlreiche Fragen aufwirft, deren Klärung in den wenigen zurückliegenden Wochen nicht zufriedenstellend möglich war.
Nun aber zum Wesentlichen. Herr OB, die Herren Beigeordneten, meine Damen und Herren von Schwarz-Grün, sie alle haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die zwischenzeitlich eingetretene globale Finanzmarktkrise und die Gefahr einer schweren Weltwirtschaftskrise haben Ihre Kalkulationen mehr als je zuvor auf ganz dünnes Eis gestellt. Bereits der Vorbericht ist hinsichtlich Konjunkturverlauf, Steuerertrag, Zuweisungen durch das Land (unterstellt wird für diese in den Planungsjahren ein Wachstum von 2 %!), Erwerbslosigkeit und Transferleistungen viel zu positiv und bereits von der Wirklichkeit überholt.
Der Entwurf liegt trotz weiterer Kürzungen – nach neuestem Ansatz - mit über 149 Mio. im Minus. Hinzu kommen geschätzte 2,5 Mrd. Altschulden im sog. Konzern Stadt. Die jährliche Zinslast dieser Stadt läuft auf 100 Mio. Euro zu. Weitere umfangreiche Kürzungen auf Basis des GPA-Gutachtens und eigener Überlegungen sollen in 2009 ff. noch eingearbeitet werden. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen nach jüngsten Erhebungen schon wieder weg, sie liegen mit geschätzten 67 Mio. € weit unter Ansatz. Der für 2013 angepeilte Jahres bezogene Ausgleich – immer noch ohne Abbau der erdrückenden Altschuldenlast – war aus unserer Sicht auch diesmal wieder eine Fehlkalkulation.
Das noch unter SPD-Grün für NRW beschlossene NKF und die im Frühjahr aufgestellte Eröffnungsbilanz haben die Finanzmisere unserer Stadt verdeutlicht: Nach Deckung der Verluste aus 2008 und 2009 aus Ausgleichs- und allgemeiner Rücklage wären die bilanziellen Reserven aufgezehrt und die Stadt schon 2010 - nicht nur faktisch pleite wie seit 15 Jahren, sondern auch technisch - überschuldet. Das war bekannt und dazu brauchte es nicht die Kommunalaufsicht.
Sie, Herr OB, haben bei der Haushaltseinbringung, vor „neuen Luftschlössern“ gewarnt. Die Quittung folgte auf dem Fuß: Als gigantisches Luftschloss erwies sich nicht nur die globale Finanzwelt und der real existierende Kapitalismus, sondern auch ihr eigener Haushaltsentwurf. Spätestens seit der Intervention der Kommunalaufsicht vor einer Woche stehen Sie vor einem Scherbenhaufen. Diese hat schweres Geschütz aufgefahren. Ihre Haushaltsverfügung verlangt jetzt ultimativ – weit über die konkretisierten und noch unbestimmten Kürzungspakete hinaus – dermaßen gravierende Einschnitte und ein so rigides Haushaltssicherungskonzept, dass bis Ende 2012 ein Jahres bezogener Haushaltsausgleich erreicht wird. Der Kreditrahmen für notwendige Investitionen ist weg, stattdessen muss alles einzeln beantragt werden. Die Liste der Vorgaben gleicht einer Zwangsjacke. Wir hätten uns gewünscht, dass Herrn Büssow nicht nur von der LINKEN, sondern auch von anderen Ratsparteien mutig gegengehalten worden wäre. Das war leider kaum der Fall. Deswegen hier noch mal in aller Deutlichkeit:
• Der zurückliegende Wirtschaftsaufschwung ist bei den meisten Menschen nicht angekommen. Wir stehen erneut vor einer schweren Wirtschaftskrise. Eine weitere Zurückhaltung der Kommunen bei Investitionen und Ausgaben wirkt Krisen verschärfend.
• Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs liegt in DU bei nur noch 148.000. Das entspricht einer Stadt mit halb soviel Einwohnern. Davon Frauen mit nur knapp 37 %, Migranten mit nur 31 %. Die Zahlen werden aller Voraussicht nach Ende 2009 abermals deutlich schlechter, die Zugänge zur Arbeitsagentur, - auch kurzarbeitsbedingt – und zur ARGE massiv steigen.
• Duisburg hat mit 31.000 überschuldeten Personen die Rote Laterne in NRW.
• Fast 80.000 Menschen können nach arbeitsrechtlichem Status, Einkommen und Lebensverhältnissen nur noch als Prekäre gelten. Sie sind auf laufende Unterstützung angewiesen, um zu überleben.
• Viele Schulkinder haben keine Bücher und keine warme Mahlzeit. Die Hartz-IV-EmpfängerInnen können am sozialen Leben kaum noch teilnehmen. Schwimmbad, Fußballstadion, Kultureinrichtungen usw. kommen für sie nicht mehr infrage. Mit der DVG fahren geht kaum noch oder nur schwarz.
• Bereits 2007 wurde 8.300 Mal der Strom abgeschaltet und rd. 1.000 Mal das Gas, weil die Menschen nicht mehr zahlen können.
• Zahlreiche Straßen sind mit Löchern übersät, ein erheblicher Teil der Brücken ist immer noch baufällig. Die Verslumung von Straßenzügen und Stadtvierteln greift um sich.
• Die Notstandsliste ließe sich fast beliebig fortsetzen.
Seit langen Jahren erlebt, und erleidet die Mehrheit der Stadtbevölkerung ein Kürzungspaket nach dem anderen. Zusammen mit den Auswirkungen von Bundes- und Landespolitik haben wir die erschütternde Quittung in den beiden Sozialberichten. Der von der Kommunalaufsicht geforderte Haushaltsausgleich bis Ende 2012 bedeutet, dass noch rd. 100 Mio. Euro zusätzlich zu den vorgesehenen Kürzungen heraus gequetscht werden müssten. Eine Verabschiedung des Entwurfs unter Einbezug der Gremienberatungen scheidet nach diesen Vorgaben der Kommunalaufsicht aus. Die von Ihnen heute beantragte Verabschiedung des Planentwurfs ohne HSK und dieses unter Einbeziehung der GPA-Vorschläge in Höhe von rd. 65 Mio. € zu überarbeiten, ist jedenfalls keine Orientierung, sondern Augenwischerei. Sie setzen doch damit keine verlässlichen Plandaten fest, wenn bis auf die Punkte Elternbeiträge und Bezirksbibliotheken alles unter Kürzungsvorbehalt steht.
Wir können die ohnehin überlasteten VerwaltungsmitarbeiterInnen nur bedauern, die sich jetzt den Kopf zerbrechen müssen, wie die geforderten Extra-Streichkonzerte zu schaffen sind – die sie auch noch selber treffen sollen. Die Intervention der Kommunalaufsicht stellt diese Stadt – ich sage bewusst nicht nur die Mehrheitspolitik im Rathaus - vor eine neue, gewaltige Herausforderung.
Eine Stadt ist kein Konzern, sie hat nicht die Absicht der monetären Gewinnerzielung. Kommunalpolitik hat soziale Gewinne für die gesamte Bevölkerung zu organisieren, die Stadt lebens- und liebenswert zu gestalten. Und das demokratisch und beteiligungsorientiert. Mit den Haushaltstagen und den FNP-Beratungen haben wir zarte Pflänzchen, die gehegt werden müssen. Für ihre Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung und der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen braucht die kommunale Ebene ausreichende Ressourcen. Nichts gegen Einsparungen – aber bitte nur da, wo sie sozial gerecht und ökologisch erstrebenswert sind. Wir waren gegen eine Konzeption des CityPalais, die der Stadt mit 6,5 Mio. jährlich für Jahrzehnte Schulden aufbürden. Wir waren gegen Prestigeprojekte wie den sündhaft teuren Parallelkanal. Nur zur Erinnerung, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD – Sie haben all dem zugestimmt und die Behauptung Ihrer Propagandisten, die heute „brandtneu“ daher kommen und ihre Verantwortung vertuschen, ist einfach unerträglich. Ihre falschen Strategien und Fehlentscheidungen hatten auch böse Folgen für die Finanzen der Stadt bis hin zum Gewerbesteueraufkommen.
DIE LINKE war gegen die - noch nicht einmal ernsthaft begründeten fetten Erhöhungen der Fraktionspauschalen – vor und nach 2004, während große Mehrheiten des Rates sich da schnell einig waren. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Kommunalaufsicht da reingrätscht. Die Liste ließe sich auch hier stundenlang fortsetzen. Ich will es mir ersparen. Wir sind auch bereit, über zeitgemäße, aber effektive und bürgernahe Verwaltungs- und Gremienstrukturen mit Betroffenen gemeinsam nachzudenken. Wir wollen auch die Einnahmeseite unserer Stadt zu verbessern. Erneut legen wir Ihnen einen Antrag auf eine moderate Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes von 470 auf 480 Prozentpunkte vor. Er könnte ab 2009 wirksam sein und viele Millionen mehr in die Stadtkasse bringen. Oberhausen hat sich dazu aufgerafft, tun Sie es auch!
Meine Damen und Herren,
Gegen die Selbstverwaltung ist nunmehr seit Jahrzehnten massiv verstoßen worden. Duisburg sitzt zusammen mit fast 200 Kommunen allein in NRW in der Schuldenfalle. Die Liquidität, um die laufenden Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, Entgelte zu zahlen, in hohem Masse bundes- und landesgesetzlichen Verpflichtungen etwa bei den Sozialausgaben nach zu kommen - kann hier und anderswo nur noch über ausufernde Kassenkredite hergestellt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben in Rat und Bezirken immer wieder Kontroversen über Richtungsentscheidungen und Einzelfragen ausgefochten. Wie oft haben Sie alles niedergestimmt, was von der LINKEN kam. Bei alledem haben wir eines nie übersehen, nie aus Gründen billiger politischer Effekthascherei weggelassen und immer offen ausgesprochen: Die Haushaltsmisere von Duisburg und so vieler weiterer Kommunen ist erstens Ausdruck der kommunalfeindlichen Politik aller Bundesregierungen und aller NRW-Landesregierungen, unabhängig von ihrer Farbkomposition. Diese Politik – die übrigens von Ihren Parteitagsdelegierten immer mit getragen wurde - hat die kommunale Selbstverwaltung massiv und strukturell geschwächt und schwächt sie weiter. Sie ist zweitens Folge der Unternehmerwirtschaft, die uns gerade im monostrukturierten Duisburg gewaltige Sozial- und Umweltprobleme aufgebürdet hat. Wir bleiben dabei: Das kann keine Kommunalpolitik alleine wieder gerade biegen. Die kommende Wirtschaftskrise wird uns erneut Dialektik einpauken, ob wir wollen oder nicht.
• Bund und Länder versuchen sich immer wieder auf Kosten der kommunalen Ebene zu sanieren, sei es bei Hartz IV, der Auflösung der Versorgungsämter, bei der Zerschlagung der Umweltbehörden, bei der Krankenhausfinanzierung, um nur einige zu nennen.
• Die Mehrwertsteuererhöhung durch die CDU/SPD-Koalition in Berlin hat auch die Kommunen schwer getroffen.
• Hinzu kommen gesetzliche Umlagen, wie die erhöhte Kommunalsteuerumlage oder der sogenannte Solidarpakt, der die Bedürftigkeit der Kommunen absurderweise nach der Himmelsrichtung definiert. Umlagen, die den Kommunen ebenfalls die Luft zum Atmen nehmen. Wir erwarten in diesem Zusammenhang vom Land, dass die eingetretene und gerichtlich festgestellte Überzahlung zügig zurückfließt.
• Öffentliches Eigentum und damit demokratische Steuerungsinstrumente wurden über Jahre in großem Umfang und auf allen Ebenen verscherbelt. Die Sozialsysteme mit der Agenda 2010 in erheblichem Umfang teil privatisiert. Staat und Gesellschaft wurden im neoliberalen Wahn den brutalen Marktmechanismen ausgesetzt. Ernst zunehmende Warnungen gab es oft genug. Doch rund um den Globus soff man buchstäblich den billigen Fusel des Neoliberalismus. Die Zahl menschenunwürdiger Billigjobs – aber auch von Geschäftsaufgaben – und die Sozialnot sind so groß wie lange nicht. Damit wurden gleichzeitig die Einnahmeprobleme der Renten- und Krankenkassen verschärft, Altersarmut vorprogrammiert. Und gerade die prekär Beschäftigten werden als erste auf die Straße gesetzt und erneut den Solidarkassen zugeschoben.
• Die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene wurden nicht erweitert, sondern durch Schwarz-Gelb in NRW weiter eingeschränkt.
Die große Mehrheit des Rates hat 2003 das dubiose CBL-Geschäft entgegen unserer Warnungen und ohne genaue Vertragskenntnisse beschlossen. Und Sie waren bereit, nach der Schieneninfrastruktur mit dem öffentlichen Kanalnetz den Irrweg weiter zu gehen, wenn die US-Finanzbehörden kein Stoppschild gesetzt hätten. Nun ist das Kapitel CBL in den USA definitiv zu Ende. Werden die Verträge zum Ende des Jahres nicht freiwillig aufgelöst, kommt die Zwangsauflösung. NRW-Finanzministerium und Kommunalaufsicht haben diesen Steuerbetrug – so qualifiziert das die US-Finanzbehörde - hier immer gebilligt. Sie versprachen finanzielle Entlastung, weil man die eigene Politik nicht ändern wollte. Unserer Kämmerer leugnet immer noch den drohenden Schlamassel, obwohl Bochum, Troisdorf und andere grüssen lassen und bereits hohe Verluste melden.
Und jetzt der doppelte Tsunami der globalen Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise. Welche zusätzliche Katastrophe sie für den globalen Süden bedeuten, kann sich jeder ausmalen. Es wurde deutlich, wie eng die globale Verflechtung ist, wie sehr auch die Finanzlage der Kommunen in größere Zusammenhänge eingebettet ist, die wir überhaupt nicht kontrollieren. Deswegen können wir uns in der Haushaltsberatung auch nicht nur auf die örtliche Sicht beschränken, - die gibt es so nicht und unsere Probleme sind mit Bordmitteln allein nicht mehr zu lösen. Wer das nicht sehen will, der will perspektivlos weiter machen, in der vagen Hoffnung, dass der Orkan sich legt, um dann so weiter zu wursteln wie bisher. Das wird nicht funktionieren und wäre auch politisch völlig verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, wir erleben mit einer gewissen Genugtuung die Wiederentdeckung des Öffentlichen, der lenkenden Hand von Politik und Staat im Wirtschaftsleben. Die Sparkassennovelle wurde nach vielen Protesten entschärft, von der Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens wagt derzeit niemand mehr – öffentlich - zu reden, der Börsengang der Bahn wurde trotz millionenschwerer Prämien für Herrn Mehdorn und seine Vorständler aufgeschoben usw. Die Propagandisten des Neoliberalismus haben in ihrer Erklärungsnot über Nacht umgestellt und behaupten das Gegenteil von dem, was gestern noch als Sünde wider den freien Markt und als Sozialismus verteufelt wurde. Doch lassen wir uns nicht täuschen. Dieser Opportunismus dient nur dazu, die Öffentlichkeit zu beruhigen, den GAU des Marktradikalismus zu vertuschen, die Stütze für Pleitebanken, Mega-Zocker und interessierte Konzerne zu rechtfertigen und wieder „mehr Kapitalismus zu wagen“, wie Anlageberater und Spekulationsfreund Merz empfiehlt. Seit über 10 Jahren warnen Globalisierungskritiker und ernsthafte Wissenschaftler, dass die Finanzmärkte immer chaotischer werden und wir bei Strafe wirtschaftlicher und sozialer Katastrophen einen völlig neuen Ordnungsrahmen brauchen. Doch die Liberalisierung wurde unverdrossen weiter betrieben.
Seit dem September-Crash hat Retten Konjunktur. Wer und was soll gerettet werden, mit welchen Mitteln und auf wessen Kosten?
Für windige Finanzgeschäfte und Zockerbanken scheinen die öffentlichen Mittel auf Zuruf zu fließen. Welch ein Kontrast zu den ständigen Vorwürfen an DIE LINKE, sie betreibe eine „Wünsch-Dir-Was-Politik“! Die gefeierten „Heldentaten“ bestätigen den Charakter der Mainstream-Politik: Es kommt eben drauf an, wer sich was wünscht.

480 Mrd. € wurden durch den Bund an Bürgschaften und Zuschüssen bereitgestellt. Schon werden neue Pakete für einzelne Industrieunternehmen geschnürt. Nur zum Vergleich: der gesamte Bundeshaushalt beträgt nur 290 Mrd. Euro. Motto: Je mehr einer in den Sand setzt, desto weniger darf er im Regen stehen bleiben. Finanzjongleure avancieren zu den engsten Beratern der Regierungen. Der Bundestag wurde für alle weiteren Entscheidungen im Eilverfahren ausgehebelt. Das Ausmaß der Krise wird aber überhaupt nicht verstanden. Anstatt mit den öffentlichen Gehhilfen an Banken und Konzerne endlich mit der notwendigen strukturellen Neuordnung zu beginnen, verzichtet man auf harte Bedingungen und Steuerungsinstrumente. DIE LINKE will den öffentlichen Einfluss durch Beteiligungen und Übernahmen zu erweitern, einen Finanz-TÜV für Finanzprodukte einführen, Steueroasen austrocknen, verantwortliche Akteure und Institute in Haftung nehmen, eine Vermögensabgabe für Reiche einführen. Das alles wird abgelehnt. Die Bundestagsmehrheit verabschiedet ein sozial ungerechtes Erbschaftssteuergesetz. Man lehnt das 50-Milliarden-Konjunkturprogramm für Infrastruktur, Bildung und Umweltsanierung ab, wie es DIE LINKE vorgeschlagen hat, um dem Absturz der Realwirtschaft gegenzusteuern. Man will keinen gesetzlichen Mindestlohn und hält krampfhaft an Hartz IV fest, obwohl alle Drangsalierungen nichts genützt haben und diese per Gesetz verordnete Armut im Lauf der kommenden Krise grandios scheitern wird. Stattdessen Halbheiten, Moralpredigten, Nichtstun und Blockaden. Man will kein Entschuldungsprogramm zugunsten der Kommunen, wie es geboten wäre und wir es für dringlich halten. Der megapopulistische Vorschlag von ziellos und unabhängig von der Bedürftigkeit verteilten Konsumschecks passt in diesen Zirkus kreuz und quer.
Meine Damen und Herren,
Duisburg ist seit Generationen von industrieller Monostruktur geprägt. Die negativen sozialen, städtebaulichen und Umweltfolgen hatten und haben ganze Generationen zu tragen. Wir stecken seit den neunziger Jahren in der Haushaltskrise, sind seit 2001 ohne genehmigten Haushalt, kürzen, streichen zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Wenn jetzt die Kommunalaufsicht als Gesandte des Innenministeriums kommt, die „Duldung weiteren Schuldenmachens“ aufkündigt und weitere harte Einschnitte verlangt, so ist dies auch ein weiterer massiver Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung, wie sie die Verfassung garantiert.
Herr Büssow hat hier im HFA in einer Replik auf den OB sinngemäß erklärt, dass das souveräne Budgetrecht des Rates nicht mehr bestehe. Der Rat könne nur noch im Rahmen seiner Vorgaben entscheiden. Niemand werde der Stadt helfen, sie müsse die Haushaltskrise aus eigener Kraft bewältigen.
Diese Aussage ist leider deckungsgleich mit Ihrer, Herr Oberbürgermeister und mit der ihrer Vorgängerin. Damit akzeptieren Sie im Grunde erneut – und im Einklang mit der Kommunalaufsicht -, dass Duisburg die Schulden ausbaden soll, für die andere verantwortlich sind. Wir lehnen das ab und wir wollen, dass diejenigen endlich in die Verantwortung genommen werden, die dafür zuständig sind, nämlich Bund und Land.
Herr Büssow hat den Rat eingeladen, mit seiner Behörde gemeinsam über weitere Kürzungen nachzudenken. Schön formuliert. Die SPD empfiehlt OB und Rat, diese „ausgestreckte Hand“ zu ergreifen. In Wahrheit hat das alles nichts mit zwischenmenschlichen Nettigkeiten zu tun: Die eine Hand wird ausgestreckt, die andere schwingt den Knüppel des Sparkommissars. Besten Dank für diese Einladung, die wird die Ratsfraktion der LINKEN jedenfalls nicht ergreifen. Herr Büssow hat im HFA geäußert, mit der örtlichen Haushaltspolitik gelte es auch die Schwachen zu schützen, und die Bessergestellten stärker heranzuziehen. Auch hier muss bei ihm einiges völlig durcheinandergeraten sein, wenn er ausgerechnet die Praktikantenstellen kritisiert, für die man die Studiengebühren übernommen hat, wenn er das Schulessen für sozial schwache Familien mit unter 24.000 Euro Jahreseinkommen zusammenstreichen will. In Oberhausen will er die berufliche Erstausbildung bei der Stadt – sogar nach Einstellungszusagen – streichen. Alles Glanzpunkte sozialer Einstellung und dem Volumen nach übrigens Ausgaben, deren Streichung uns die Rettung bringt!
Ich finde es aufschlussreich, dass ausgerechnet die in der Wahlpropaganda so sozial eingestellte SPD jetzt mit dem Vorwurf kommt und erstmals sogar mit einem Anflug von Selbstkritik, es sei noch nicht genug weggekürzt worden, das Berger-Gutachten müsse konsequent umgesetzt werden. Es müsse ein überparteiliches Haushaltskomitee unter Einschluss vieler Akteure und der Wirtschaft gebildet werden. Ist ja nicht möglich! Wie lange fordern wir hier im Rat eine breite Bürgerbeteiligung bei der Haushaltspolitik? Selbst kleine Schritte waren unter Ihrer Ägide, werte KollegInnen der SPD, nicht möglich. Aber jetzt soll „die Wirtschaft“ auch noch institutionell Einfluss auf den Haushalt nehmen! Gewissermaßen die Regierungskomitees mit Hartz und Co., aus der Schröder-Ära auf die kommunale Ebene herunter gebrochen, die sich um die Agenda 2010 und andere Sparschweinereien verdient gemacht haben. Mit uns ist das nicht zu machen und wir können davor nur warnen. Bürgerbeteiligung ja, aber keine Institutionalisierung von Profitinteressen in der kommunalen Haushaltspolitik!
Die haben schon viel zu viel Einfluss und wir müssen die Folgen oft genug ausbaden.
Berechtigte Forderungen an eine soziale Kommunalpolitik, legitime Erwartungen auf allen Handlungsfeldern und eine solide Personalpolitik in der Verwaltung sind mit uns jedenfalls nicht wegzukürzen. Ein zukunftsfähiger Umbau Duisburgs hat erst in Ansätzen begonnen. Er darf jetzt nicht durch eine Sparorgie abgewürgt werden. Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich solidarisch erklären mit der Kritik der Personalräte am Stellenplan. Der nur in Ansätzen aufgelöste, demotivierende Beförderungsstau, die unerhörte Leistungsverdichtung und der Überstundenberg verlangen eine andere Personalpolitik. Erst recht eine andere als massiver Einschnitte, wie sie jetzt die Kommunalaufsicht einfordert.
Meine Damen und Herren, wir wollen endlich eine kommunale Entschuldung durch Bund und Land. Wer die Musik bestellt, hat, soll sie gefälligst bezahlen, auch die Altschulden. Bund und Länder sind die Hauptverursacher der kommunalen Finanzmisere. Eine erste Maßnahme wäre der Wegfall der Gewerbesteuerumlage für arme Kommunen.
Meine Damen und Herren,
Armutsbekämpfung – vor allem unter Frauen, Migranten und Alten – hat in Duisburg keine starke Lobby. Die Zahlen der Sozialberichte vermitteln nur eine Ahnung der realen Misere. Die Ratsmehrheit lehnt nach wie vor den Sozialpass mit Sozialticket ab. Der Skandal, dass Hartz IV-Empfänger nur unzureichende Heizkostenpauschalen erhalten und sie ihre tatsächlichen Kosten gerichtlich einklagen müssen, besteht fort. Auch weiterhin orientiert sich die KdU-Erstattung nicht mindestens am aktuellen Mietspiegel, mittlere Stufe, also 4,51 € statt 3,94 € pro m². Dem Ombudsmann, der die zahlreichen Fehler bei der ARGE aufdeckt, wird ein Maulkorb umgehängt.
Bedürftigen wird von den Stadtwerken weder ein günstiges Stromkontingent gestellt, wie z. B. in Belgien, noch wurde ein Sozialtarif eingeführt. Für Großabnehmer gelten aber rd. 50 Sondertarife. Das ist soziale Gerechtigkeit, nicht wahr Herr Heidenreich und die CDU, die sie sich im VRR für die Streichung von Firmentickets und die Blockade von Sozialtickets einsetzen?! Gerechtigkeit muss sein, vor allem nach unten. Auch die Mittel für die Integrationspolitik sind viel zu gering. Die Verwaltungseinheit Integration muss personell und finanziell weiter ausgebaut werden, um ihre Querschnittsaufgaben effektiv wahrnehmen zu können.
Alle Initiativen der LINKEN zur Bildungspolitik zielen darauf ab, Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit und eine gerechte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Bedürftige Kinder brauchen kostenlose warme Mahlzeiten und Schulbücher. Zusätzliche sozialpädagogische Fachkräfte sollten eingestellt und Stellen für Sozialarbeit – je nach Schulform – ausgebaut werden. SchulpsychologInnen werden schulformübergreifend gebraucht. Und natürlich unsere Grundforderung nach einer Schule für Alle in den Klassen 1 – 10. Gefolgt wurde unseren Anträgen bisher kaum. So kann Prävention nicht funktionieren, obwohl etwa die GPA dies in ihrem Bericht genau einfordert.
Meine Damen und Herren,
der Dauerskandal der kommunalen Unterfinanzierung muss beendet werden. Was für Zockerbanken und Konzerne möglich ist, darf der kommunalen Ebene nicht weiter vorenthalten werden. Prüfen Sie ernsthaft eine Verfassungsklage zusammen mit den anderen Krisenkommunen und dem Städtetag!
Fazit der Linksfraktion: Der Haushaltsentwurf 2009 entspricht nicht unseren Vorstellungen von kommunaler Selbstverwaltung und neuer Entwicklungslogik. Er setzt die falsche Politik auf Bundes- und Landesebene fort. Das Vorgehen der Kommunalaufsicht, die langjährige Finanzbelastung unserer Stadt und so vieler weiterer Kommunen mit der Brechstange zu erzwingen, weisen wir als verfassungswidrig und illegitim zurück.
Ich danke für die Aufmerksamkeit!